Am
Morgen des 17. März 1945, einem Samstag, begann unsere
Flucht.
Mit einem von Kühen gezogenen Fuhrwerk verließen
wir gegen 8:30 – 9:00 Uhr unser Elternhaus in Leisnitz,
Niederdorf Haus Nr.62 (Oberschlesien, Regierungsbezirk Oppeln).
Vater meinte: „... bis in den Stadtwald hinter Leobschütz.
Wir lassen die Front über uns rollen und fahren wieder
nach Hause“.
Es kam alles anders!
Unser Dorf war menschenleer. Alle Nachbarn waren schon weg.
Vor einer Stunde hatte Vater noch mit seinem Verwandten und
Freund Eduard Krautwurst gesprochen. Der wollte in Richtung
Oberglogau fahren. Ohne es zu wissen, fuhr er den Russen entgegen.
Er kehrte nicht mehr nach Leisnitz zurück.
Vor unserer Abfahrt kam noch Onkel Franz Raser und brachte
uns Tante Marie. Wir sollen sie mitnehmen, er bleibe zu Hause.
Wir haben ihn gebeten, unser zurückgelassenes Vieh zu
versorgen. Eine Stunde später war er schon erschossen!
Die Treck-Kühe bekamen ein Kreuzzeichen vor die Hufe
gekratzt, wir Familienmitglieder bekreuzigten uns mit Weihwasser.
Oben in den Hausgiebel, hatte Vater unsere Marienfigur gestellt.
Also fuhren wir in Gottes Namen: Vater (64 Jahre), Mutter
(47 Jahre), die großen Schwestern Martha u. Hedwig,
die kleinen Schwestern Maria und Elisabeth, und ich (12 Jahre
alt), sowie Tante Marie 69 Jahre.
Wegen der langen Winterzeit im Stall, waren die Kühe
sehr unruhig vor dem Wagen. Nach ca. 300 m passierte das erste
Unglück. Ich hatte in einer Kurve, mit der rechten Vorderradnabe
einen Stein gerammt. Die Deichsel war gesplittert.
Mit Vaters Hilfe wurde sie repariert, und es konnte weiter
gehen. Vorbei an der Kirche. Der Pfarrer Besuch war schon
am Vorabend gefahren. Das Allerheiligste hatte er mitgenommen
und das ewige Licht brannte nicht mehr.
Am Denkmal konnte man ganz deutlich aus dem Oberdorf von der
Militscher Straße her Geräusche von Panzerketten
hören. Wir fuhren die Stadtgasse hoch. Wir haben keine
Menschenseele mehr gesehen. Leisnitz war ein Geisterdorf geworden.
Jetzt erst fiel uns ein, dass wir unsere Gasmasken vergessen
hatten. Unsere Martha, die Älteste, fuhr mit dem Fahrrad
zurück. Sie hatte noch die Nerven, ein Glas eingemachter
Süßkirchen leer zu essen. Vor Sabschütz hat
sie uns wieder eingeholt.
Dort trieb uns ein deutscher Soldat, der Einzige, den wir
an diesem Morgen gesehen haben, zur Eile an. Hinter uns hat
er die Brücke gesprengt.
„ a klenens Brückla war weg “!
Durch den Lärm wurden offenbar Russen auf uns aufmerksam,
denn nun wurde unser Fuhrwerk beschossen. Gott sei Dank pfiffen
die Kugeln alle über unsere Köpfe hinweg, keine
Treffer. Die Kühe reagierten einiges schneller als wir:
Die Schwänze steil in die Luft rannten sie wie wild in
Richtung Sabschütz, wir hinterher. Glück gehabt
- wir waren noch mal davon gekommen!
In Sabschütz bogen wir rechts ab.
Es ging über Schlegendorf nach Schmeißdorf, Kreuzendorf,
vorbei am Hof von Verwandten. Auf dem verlassenen Hof brüllten
die Kühe im Stall, die Milch drückte im Euter. Gegen
Abend erreichten wir Roben.
Hier waren noch alle Einwohner da. Gleich am Ortseingang,
in Fahrtrichtung links, bekamen wir Unterkunft, in einer Scheune
bezogen wir Quartier.
Jetzt waren auch deutsche Soldaten da. Sie drängten alle
Fuhrwerke von der Strasse. Wir waren eingeklemmt. Nach vorne
ging nichts mehr – nach hinten war der Weg versperrt.
Des Nachts ging auf einmal das russische Artillerie-Feuer
los. Durch das hintere Scheunentor konnten wir sehen, wie
Leobschütz lichterloh brannte. So ein gewaltiges Feuer
habe ich nie wieder gesehen.
Als es hell wurde, keiner von uns hatte geschlafen, wurden
die Kühe versorgt. Wir hatten drei mitgenommen, so hatten
wir immer eine zum Wechseln. Es wurde etwas Kaffee gekocht
und Butterbrote geschmiert. Ich wollte mit unserem Zinkeimer
aus dem Ziehbrunnen im Hof Wasser holen. Beim Runterlassen
löste sich der Eimer vom Haken und war weg. Wir hatten
so viel zurückgelassen, jetzt tat´s uns um den
Zinkeimer leid. Ob er noch im Brunnen liegt?
Bald ging es weiter, aber ab jetzt nicht mehr alleine. Es
waren viele Fuhrwerke auf der Straße. Wir fuhren durch
Dobersdorf und Pilgersdorf nach Burgstadtel in Richtung Süd-West.
Dort verbrachten wir drei Nächte und zwei Tage auf einem
Anwesen, wo wir freundlich aufgenommen wurden. Wir durften
sogar die Küche benutzen.
Soldaten hatten ein Rind angefahren. Es durfte geschlachtet
werden, was sonst strengstens verboten war.
Es war wohl besser die Russen bekamen alles! So war die Zeit.
Das Fleisch von dem geschlachteten Rind wurde christlich geteilt,
es wurde sogar gewurstet.
Jetzt fingen auch die Bewohner von Burgstadtel an zu packen,
Wertsachen wurden im Wald vergraben.
Die russische Front war für ein paar Tage zum Stillstand
gekommen. Unsere Martha, schon immer die Mutigste, fuhr mit
ein paar anderen Mädels mit dem Fahrrad zurück bis
Königsdorf. Abends war sie zurück und wusste zu
erzählen, dass Leisnitz fest in russischer Hand sei und
dass ein alter Mann im Niederdorf erschossen wurde. Wie wir
später erfuhren, war das unser Raser-Onkel.
Nachdem wir uns etwas erholt hatten, fuhren wir am Mittwoch,
den 21. März 1945, morgens wieder los. Wir wussten nicht
wohin. Einfach den Anderen nach und weg von der Front, meist
Richtung Westen, später in Richtung Süden (heutige
Tsch. Rep.).
Über Raden und Zietenbusch an Jägersdorf vorbei
über Weißkirch, vorbei an Lichten über Aue
bis Benisch. Heute weiß ich nicht mehr genau, in welchem
Ort wir übernachtet haben. Alle Bewohner waren hier noch
zu Hause. Es waren wunderschöne und reiche Ortschaften.
Die Leute dachten im Traum nicht daran, dass sie das gleiche
Schicksal ereilen könnte wie uns, waren aber alle freundlich
und hilfsbereit. Die folgenden Orte waren Spachendorf, Raase,
Karlsberg und Rautenberg. Es ging rauf und runter. Altvatergebirge,
der Altvater hat eine Höhe von 1492m. Den Berg runter
musste fest gebremst werden. Den Berg rauf mussten alle, außer
Tante Marie, vom Wagen. Die dritte Kuh wurde vorgespannt und
wer Kraft hatte, musste schieben helfen.
Trotzdem erinnere ich mich gut, dass wir viel gesungen haben,
z.B. „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt
er in die weite Welt.“. Für uns Kinder war das
ja schon die große weite Welt!
Irgendwann sind wir auf den Leisnitzer Kuh-Treck gestoßen,
die Freude war riesengroß. Zwei unsere Kühe waren
vorne wund gelaufen. Die Leisnitzer halfen uns, die Vorderhufe
unserer Kühe, mit Eisenplatten zu beschlagen. Der Dietrich-Schmied
führte die Arbeit fachkundig aus. Nun liefen auch unsere
Zwei wieder normal ohne Schmerzen. Die dritte Kuh hatte gute
Hufe, sie lief sich nicht wund. Gemeinsam mit den Anderen
ging jetzt der Treck langsam, aber dafür in einem geregelten
Ablauf von Ort zu Ort.
Wir waren vorerst nur unter Deutschen. Im Sudetenland war
es nicht anders als bei uns. Schließlich gehörten
wir ja alle zusammen.
Die nächsten Orte waren Weißkreuz, Neurode, Giersing,
Schönwald und Treublitz.
Jeden Tag kamen wir ca. 20-30 Km vorwärts. Sonntags war
Ruhetag damit wir die heilige Messe besuchen konnten.
An einem sehr heißen Tag, kurz vor Mährisch Aussee,
fing unsere dritte Kuh an zu kalben. Wir mussten aus dem Treck
ausscheren und uns ein Quartier suchen.
Die übrigen Leisnitzer zogen weiter, wir waren wieder
alleine.
An der linken Seite am Ortseingang von Mährisch Aussee
fanden wir Unterkunft, also süd-westlich vom Altvatergebirge
im Sudetenland. Es wird wohl Anfang April gewesen sein. Keiner
ahnte, dass wir ca. 4 Wochen bleiben würden.
Unsere Kühe kamen in einen leeren Ziegenstall. Wir durften
mit im kleinen Haus wohnen, obwohl es für die Besitzerin
mit ihren Kindern schon eng war. Die Kuh brachte ein gesundes
Kälbchen zur Welt. Wir haben es gehegt und gepflegt bis
es schlachtreif war.
Unsere Gastfamilie freute sich über frisches Fleisch.
Die Milch wurde sowieso geteilt. Wir haben sogar gebuttert
wie in alten Zeiten.
Eines Morgens haben wir in der Kirche unsere Tante Anna (
Mutters Schwester) aus Leimerwitz getroffen. Sie war mit ihren
drei Töchtern Gitta, Kläre und Elli mit zwei Kühen
und Wagen hier gelandet. Die Freude war riesengroß.
Mittlerweile war es Frühjahr geworden. Vater und ich
haben mit unseren Kühen bei einem Kuhbauer den Acker
bestellt. Für unsere Arbeit bekamen unsere mageren Kühe
Futter, was besonders wichtig war: die Tiere blieben fit,
das konnten wir später gut gebrauchen. So hat alles im
Leben sein Gutes.
Was wir allerdings noch nicht ahnten: Das Schwierigste lag
noch vor uns. Die Zeit ging dahin in der Hoffnung, Alles möge
sich zum Guten wenden. Oft erfuhren wir, wo in unserer Nähe
Höfe, die Flüchtlinge beherbergten, von Partisanen
überfallen worden waren. Es wurden sogar Flüchtlinge
erschossen.
Die Leute, denen wir das Feld bestellten, waren sehr wortkarg
und sprachen oft Tschechisch, was wir nicht verstanden.
Der Leisnitzer Kuhtreck war auch nicht mehr weit gekommen,
manche waren in Müglitz geblieben. Es herrschte Trecksperre
und keiner durfte weiter fahren. Die Straßen wurden
für das Militär gebraucht. Am 5. Mai 1945 sagten
uns Soldaten: „In zwei Tagen ist der Krieg zu Ende.
Seht zu, das ihr hier weg kommt. Fahrt auf deutsches Gebiet,
die Tschechen schlagen bald los“.
Heimkehr?!
Vater sagte: „Sofort anspannen!“. Wir haben uns
gesammelt und sind mit sieben Fuhrwerken am 5. Mai ab Mährisch
Aussee und am 6. Mai ab Müglitz abgefahren.
Es ging Richtung Glazer Bergland, also Richtung Nord-Westen
über Hohenstadt, Rotwasser und Grulich. In Bohnischau
hatten wir wieder deutschen Boden unter den Füßen.
Die Angst vor den Tschechen lag hinter uns. Als wir hinter
Mittenwalde waren, war der Krieg zu Ende. Die Orte, durch
die wir jetzt fuhren waren alle menschenleer.
Von Hohenstadt bis Rengersdorf vor Glatz ging es fast immer
bergauf. Die Strecke war manchmal so steil, dass vier oder
sogar sechs Kühe vorgespannt werden mussten. Jeder half
Jedem. Der Zusammenhalt war vorbildlich. Auf der Höhe
bei Glatz, vor Reichenstein, wir fuhren schon Richtung Heimat,
begegneten wir den ersten russischen Soldaten. Unser Erstaunen
und die Angst waren groß.
Die fuhren westwärts, wir ostwärts. Die mit Pferden,
wir mit Kühen.
Nach einer Weile hieß es auf einmal: „Stoj!“.
Wir mussten ein totes Pferd von der Straße räumen.
So weit wie es ging fuhren wir um die Dörfer herum, um
so wenig Russen wie möglich zu begegneten. Ab und zu
wurden wir angehalten und nach Uhren durchsucht, wenn sie
eine oder zwei Uhren hatten, durften wir weiterfahren. Eine
Frau war mit mehreren kleinen Kindern und ihrem jüngeren
Bruder im wehrfähigen Alter unterwegs. Der junge Mann
musste sich immer verstecken und verkleiden. Die Russen fischten
alle möglichen Soldaten heraus und nahmen sie mit. Wir
haben große Einzäunungen gesehen, vollgepfercht
mit ehemaligen Soldaten. Die wurden dann in Richtung Russland
getrieben. Vor Oberglogau, war eine Straßensperre aufgebaut.
Alle Fuhrwerke mussten die dritte Kuh abgeben. Unsere Dritte
ersetzte Tante Annas zweite Kuh, die gerade gekalbt hatte.
Nach dem Kalben sah das Tier krank aus und die Russen wollten
es nicht haben. Auf diese Weise konnten wir drei Kühe
behalten.
Hinter Oberglogau sind wir noch durch Gläsen gefahren,
dort wohnte die zweite Schwester meines Vaters. Das Gehöft
war verlassen.
In der Woche vor Pfingsten waren wir wieder in Leisnitz. Die
Freude war riesengroß und die Begrüßung der
Leisnitzer, die schon zurück oder dageblieben waren,
war überwältigend. Nach und nach kamen der restliche
Kuhtreck und einige Pferdefuhrwerke, die den russischen Frontbereich
nicht überwunden hatten, zurück. Tante Anna und
wir waren gerade in unseren Hof gefahren und wollten anfangen
die Wagen abzuladen, da tauchten die ersten Russen auf. Sie
durchsuchten die Wagen. Alles was ihnen gefiel nahmen sie
mit. Jetzt waren wir so weit gefahren, einmal rund um den
Altvater und sein Gebirge, wir waren nie ausgeplündert
worden, wir hatten immer Glück gehabt. Und nun: “Noch
keine zwei Stunden zu Hause und das Elend fing erst richtig
an“.
Wir haben die Kühe hinter Strohballen versteckt und hoch
in der Scheune hinter Stroh geschlafen. Ins Haus trauten wir
uns nicht. In Leisnitz waren außer einem Kommandanten
mit Kommandantin sonst keine Russen. Die Russen, die wir zu
fürchten hatten, waren aus den umliegenden Garnisonen.
Es waren immer Offiziere und Kommissare, die in die Dörfer
zum Plündern fuhren, einfache Soldaten kamen aus ihren
Quartieren nicht raus. Es gab auch einen, von Russen eingesetzten,
Bürgermeister in Leisnitz. Herr Muscholl, ein Verwandter
vom Purschke Schuster aus unserer Nachbarschaft. Herr Muscholl
sprach polnisch und stammte aus dem oberschlesischen Industriegebiet.
Er listete uns auf und sagte uns: „Alle Kühe, bis
auf eine, müssen abgegeben werden.“. Eine unserer
Kühe ging zu Wawersiks, die Zweite zu Drechslers. Herr
Muscholl wurde schnell von den Russen durch Herrn Ciesla aus
Leisnitz ersetzt. Jetzt war er sogenannter Bürgermeister.
Die Tage vergingen voller Angst. Unser großes Haus wurde
uns zum Verhängnis. Durchfahrende Russen meinten, bei
uns muss noch was zu holen sein. Dabei waren wir arm wie Kirchenmäuse,
noch nicht einmal Salz in die Suppe hatten wir. Alle Arbeitsfähigen,
mein Vater, Martha, Hedwig und die Cousinen mussten nach dem
Kreuzwald arbeiten gehen. Morgens am Denkmal antreten, dann
unter russischer Bewachung, Abmarsch und spät abends
in Kolonnen zurück. Sie waren dafür am sichersten.
Viel sicherer, als wir Daheimgebliebenen. Wenn Russen auf
unser Haus zukamen, hauten wir in die Getreidefelder ab.
Nach einigen Wochen kamen polnische Personen, aus dem Raum
Krakau und fingen an durch die Häuser zu stromern. Was
gefiel nahmen sie mit. Auch liefen polnische Männer mit
Armbinden und Gewehren herum. Einmal kamen zwei sehr gut angezogene
Männer, die sehr gut deutsch sprachen, bei uns plündern.
Sie nahmen Vaters Zimmermannswerkzeug mit. Auf den Einwand
er brauche das noch, sagten sie: „Das brauchen sie nicht
mehr, sie kommen nach Sachsen oder Bayern“. Sich zu
wehren war sinnlos, man wurde dann mitgenommen und eingesperrt.
Am 29. Juni 1945 kam eine große, von kleinen Pferden
gezogene, polnische Fahrzeugkolonne. Immer eine Familie auf
jedem Wagen. Sie verteilten sich im Dorf und nahmen Höfe
in Besitz, selbst solche, wo die Leisnitzer Besitzer da waren.
Viele Leisnitzer waren in Bayern und durften nicht zurück,
ihre Höfe standen leer. Jetzt verschlechterte sich alles.
Wir wagten kaum noch uns zu bewegen. Die Kühe mussten
jetzt an die polnischen Familien abgegeben werden. Es wurde
auch ein polnischer Bürgermeister eingesetzt, der wohnte
auf dem Hof von Steiers. Die Nahrungsmittel wurden immer knapper,
es gab keinerlei Versorgung. Auch später, als die Polen
ein Geschäft im Dorf hatten, hatten wir keine Zloty.
Unser Geld war nichts wert und gearbeitet wurde für die
Polen umsonst. In unserem Haus hatte sich das polnische Landratsamt
für den Unteren Kreis eingerichtet. Wir waren mit sieben
Personen in der Waschküche zusammen gedrängt. Martha
musste für den polnischen Sekretär umsonst im Haushalt
arbeiten. Schink Alfred musste jeden Tag Brennholz für
die Büros besorgen. Meine Mutter verbrachte die meiste
Zeit damit, Körner auf der Kaffeemühle zu mahlen.
Die ca. 740 Deutschen hielten gut zusammen. Einer half dem
Anderen, jeder teilte was er hatte. So haben wir uns ein Jahr
durchgeschlagen.
Bis zur Vertreibung am 8.Juli 1946.
Sammelpunkt war das ehemalige Kloster Maria Treu in Leobschütz.
Am nächsten Tag mussten alle zum Bahnhof. Vor dem Bahnhof
war eine Sperre mit langen Tischen aufgebaut. Das Wenige,
was wir hatten musste auf die Tische geschüttet werden,
gute Sachen wurden weggenommen, das Übrige wurde auf
den Boden geschoben, wo wir alles einsammeln konnten. Dann
stiegen wir in Güterwaggons, die Fahrt in Richtung Westen
ins Sammellager Friedland begann. Dort wurden wir freundlich
aufgenommen und erhielten die Zuweisung der neuen „Heimat“.
Nach insgesamt ca. zwei Wochen Fahrt kamen wir in Wipperführt
an. Zusammen waren wir ca. 700 Personen, dann wurden wir auf
die umliegenden Städte und Gemeinden verteilt. Unsere
Familie landete in Opladen im Rheinland. Alle Leisnitzer sind
von Anfang an voll integrierte Bürger ihrer heutigen
Städte und Gemeinden geworden. Viele wirken im Gemeinschaftsleben,
im öffentlichen sowie im religiösen Leben voll mit.
Heute unterscheidet sich keiner mehr von der rheinischen Bevölkerung.
Unsere alte Heimat haben wir nie vergessen und deren Verlust
können viele nur schwer verschmerzen.
©
Walter
Krautwurst |